Der Zusammenhang zwischen dem umherschweifenden Nerv und dem Gesang
- Orsolya Gheorghita
- 30. März 2024
- 3 Min. Lesezeit
Im letzten Blogbeitrag habe ich die wichtigsten Fakten über den umherschweifenden Nerv vorgestellt, nun wollen wir uns die Details des Singens und der Stimmproduktion genauer ansehen.
Da der Vagusnerv sowohl eine afferente als auch eine efferente Funktion hat, spielt er beim Singen eine große Rolle, da wir uns bei der Stimmbildung auf Körperempfindungen und koordinierte Bewegungen der Stimmorgane verlassen können.

Die Erkennungsfunktionen für die Stimmbildung sind: (sensorisch)
Wahrnehmung des äußeren Gehörgangs, des Trommelfells, des Kehlkopfs und der Innenflächen des Kehlkopfs
Information über die viszerale Wahrnehmung von Speiseröhre, Lunge und Luftröhre
Bewegliche Funktionen für die Stimmbildung: (motorisch)
Bewegung des Zäpfchens, des weichen Gaumens, der Stimmbänder und der meisten Muskeln des Kehlkopfes
Regulierung der parasympathischen und sekretomotorischen (Speicheldrüsen) Drüsen des Kehlkopfes und des Rachens
Eine Schädigung des Vagusnervs kann zu einem bestimmten Symptom führen, weil der Nerv so lang ist und so viele Bereiche betrifft.
Zu den möglichen stimmlichen Symptomen einer Schädigung des Vagusnervs gehören:
Schwierigkeiten beim Sprechen
Verlust oder Veränderung der Stimme
Schluckbeschwerden
Blähungen oder Schmerzen im Unterleib (Schwierigkeiten bei Stimmunterstützung)
Depressionen und Angstzustände mit Atemproblemen

Wie kann ich als Sänger/in das richtige Funktionieren meines umherschweifenden Nerves unterstützen?
Da der Vagusnerv zu 80% aus sensorischen (d.h. er sendet Signale vom Körper zum Gehirn) und zu 20% aus motorischen Fasern besteht, ist es wichtig, den Vagusnerv mit den richtigen technischen Übungen (maßgeschneiderte Atem- und andere Übungen) zu reinnervieren.
Bei der Ganzkörperwahrnehmung geht es darum, zu beobachten, wie der eigene Körper im Alltag funktioniert, z. B. welche Muskeln unnötig beansprucht werden und welche Muskeln überhaupt nicht beansprucht werden, obwohl sie es werden sollten.
Diese basiert auf der körperlichen Verfassung des Kindes, die grundsätzlich richtig ist, und deshalb konzentriere ich mich in der Anfangsphase der Harmonious Gesangstherapie darauf, diese wieder zu entdecken.
Die Vagus-Therapie ist eine Möglichkeit, dem Körper noch einmal zu zeigen, was sein entspanntester, idealer Zustand ist. Daraus kann man dann seine eigene körperliche Skala aufstellen, in der man den Körper je nach Aufgabe am besten bewegen kann. Eine unkorrekte Stimmbildung erhöht auch grundsätzlich die Stressreaktionen im Körper, da eine falsch verstandene Situation vorliegt, die der Körper als unnatürlich empfindet und deshalb bekämpft (denk an die sympathische Reaktion: fight or fly).
Es ist wichtig zu beachten, dass der Vagusnerv auch von Faszien- und Muskelschichten umgeben ist, die, wenn sie angespannt sind, Druck auf den Nerv ausüben, so dass es für einen Sänger auch wichtig ist, diese Verspannung bewusst zu erkennen.
Das Erkennen des idealen Zustands für einen Sänger extrem wichtig ist, weil es mit einem steifen, angespannten Körper viel schwieriger ist, zu arbeiten und die für den jeweiligen Körper am besten geeignete Gesangstechnik zu entwickeln.
Was passiert mit dem Vagusnerv während eines Auftritts?
In einer Konzertsituation oder während einer öffentlichen Rede passiert Folgendes: Der Körper reagiert auf Stress mit einer sympathischen Reaktion, d. h. die Herzfrequenz steigt, die Blutgefäße erweitern sich, der Körper wird mobilisiert, das Ziel ist das Überleben. Unser Nervensystem sagt unserem Magen und unseren Därmen, dass sie die Verdauung stoppen und sich auf das “Rennen“ vorbereiten sollen. Deshalb kann es so dringend sein, vor dem “Rennen“ auf die Toilette zu eilen.
Für eine korrekte und mühelose Stimmproduktion brauchen wir jedoch das genaue Gegenteil, nämlich eine ruhige, konzentrierte Atmung, die Fähigkeit zu schlucken (eine parasympathische Reaktion, die auch mit der Freiheit des Kehlkopfes verbunden ist) und die mühelose Bewegung des weichen Gaumens.
Wir fühlen uns auf unterschiedlicher Weise sicher (aufgrund unserer Kindheitserfahrungen), und so fühlen sich manche Menschen auf der Bühne grundsätzlich wohl, währende anderen Schwierigkeiten haben, sich auszudrücken.
Hier setzt die Polyvagal-Theorie an, die von Dr. Stephen Porges, einem amerikanischen Psychologen und Neurowissenschaftler, entwickelt wurde. Die Idee ist, dass es eine dritte Reaktion des Nervensystems gibt, die unser Körper produziert, die er als soziales, zwischenmenschliches Engagement-System bezeichnet und die Aktivität und Ruhe des Nervensystems kombiniert, was der Schlüssel zum Verständnis dessen sein könnte, was in unserem Körper beim öffentlichen Sprechen oder Singen vor sich geht.
Mehr über die Polyvagal-Theorie erfährst du im nächsten Blogbeitrag.
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